Sagen und Geschichten - Prenzlau

Der Rabe auf dem Prenzlauer Mitteltorturm


Neben der Marienkirche besitzt Prenzlau ein zweites Wahrzeichen: den Mitteltorturm. Auf der Spitze des Turms breitet ein Rabe seine Flügel aus. Wie der Vogel hierher kommt, berichtet eine Sage. Als der Slawenfürst Primislaw, dem Prenzlau seinen Namen verdanken soll, über die Stadt und seine Umgebung herrschte, begab es sich, dass diesem ein wertvoller goldener Siegelring abhanden kam. Schnell glaubte man, in einem Knappen den Schuldigen gefunden zu haben, war man doch der Überzeugung, das gute Stück sei gestohlen worden. Zur Strafe führte man den Mann auf den Mitteltorturm hinauf und stieß ihn hinab.

 

Jahre später zog Primislaw mit einigen Helfern in den Wald zum Jagen. Als sie sich zu einer mittäglichen Rast niederließen, wurde ganz in der Nähe eine alte Eiche gefällt. In den Wipfeln dieses Baumes stieß man auf ein Krähennest, das zur Verwunderung aller und zum Entzücken des Fürsten den gestohlen geglaubten Siegelring beherbergte. Zurück in Prenzlau, ließ Primislaw einen Raben anfertigen und diesen anschließend auf der Spitze des Mitteltorturms anbringen. Es ist zwar inzwischen nicht mehr derselbe Vogel, aber auch der heutige Rabe erinnert noch an Primislaw, den Raben und natürlich den armen zu Tode gestürzten Knappen.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922
 

Ein geheimnisvoller Gang, der zwischen dem alten Rathaus von Prenzlau und der Marienkirche bestanden haben soll, beschäftigte schon immer die Phantasie und - teilweise auch noch in unserer Zeit - die Gemüter. Dort soll sogar den Benutzern des Ganges, Heinrichs das Kind, der als Domgeist in dem Gewölbe unter der Marienkirche hauste, erschienen sein. Als nämlich ein Mann, der in der Nähe der Marienkirche ein gar zu armseliges Haus bewohnte, einen Auftrag zu erledigen hatte, und mit einem Lichtlein durch den Gang lief, da stand plötzlich der "lütt Heinrich" vor ihm und rief ihm zu: "Zünde dein Haus an und siehe!". Sehr verwundert gehtder arme Mann weiter.

Niedergeschlagen führt er seinen Auftrag aus und geht nach Hause. Verzweifelt denkt er an Frau und Kind, zündet aber dennoch sein altes und halb zerfallenes Haus an. Seine Frau und sein Kind fliehen. Doch er sieht gelassen in die Flammen, ungeachtet der Vorwürfe seiner Nachbarn. Und siehe da, aus den zerberstenden alten Mauern fällt ein Kasten. Der überraschte Mann öffnet ihn und findet darinnen eine große Anzahl von Goldmünzen. Schnell löscht er die Flammen und läßt die verkohlten Baureste abbrechen. Mit dem Gold baut er sich ein neues und schöneres Haus und lebt darinnen mit seiner Familie bis an sein Lebensende zufrieden und glücklich.